Den Mund voll ungesagter Dinge by Freytag Anne

Den Mund voll ungesagter Dinge by Freytag Anne

Autor:Freytag, Anne
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: heyne>fliegt
veröffentlicht: 2016-10-27T06:15:55+00:00


Niks Rache

Die Flasche dreht sich wie in Zeitlupe. Clemens schaut wütend, Nik amüsiert und Alex erstaunlich nüchtern. So, als hätte das alles mit ihr nichts zu tun. Ich starre auf das grüne Glas, das das schwache Licht der Deckenlampe reflektiert, und halte den Atem an. Ein naiver Teil in mir wünscht sich, dass sie am Ende einfach auf Clemens zeigt, aber wirklich daran glauben tue ich nicht. Erwartungsvolle Stille füllt den Raum. Nur David Gray und das Klavier begleiten die Anspannung. Mein Herz schlägt unnötig schnell, und ich weiß nicht wirklich warum. Was soll schon passieren? Alex wird irgendjemanden kurz küssen, und das Thema ist erledigt. In meinem Magen rumort es, während mein Blick über die potenziellen Kandidaten wandert. Da wären Nik, Clemens und Simon, doch die Flasche dreht sich an ihnen vorbei. Sie verfehlt auch Julia und Laura.

Dann habe ich plötzlich nur noch einen einzigen lauten Gedanken – und keine Ahnung, wo er herkommt. Die Flasche darf unter keinen Umständen auf Lukas zeigen. Meine Handflächen schwitzen, mein Herz rast. Als die Flasche endlich stehen bleibt, zeigt ihr Hals genau zwischen Lukas und mich.

Nik bricht in schallendes Gelächter aus, und Alex schaut in meine Richtung. Ich will nicht, dass Lukas sie küsst. In diesem Punkt scheinen Clemens und ich uns einig zu sein, denn er steht unvermittelt auf und sagt: »Komm, Süße, wir gehen.«

»Mooooment«, schaltet Nik sich ein und steht ebenfalls auf. »Sie muss Lukas erst noch küssen. Dann kann sie gehen.«

Ich atme flach, Lukas schüttelt den Kopf. Kurz frage ich mich, ob er sie küssen würde, wenn es Vianne nicht gäbe. Was heißt hier würde? Wahrscheinlich wird er das gleich. Ich denke einen Moment an seine Reaktion, als ich ihm das Foto von Alex gezeigt. Nein, das wird er nicht tun. Er hat eine Freundin. Eine Freundin, die er liebt. Lukas schaut zu mir rüber. Ratlos. Unschlüssig. Als müsste er nachdenken.

»Das kannst du vergessen«, spuckt Clemens Nik entgegen. Seine Augen funkeln bedrohlich. »Sie wird ihn ganz sicher nicht küssen!«

»Hey, jeder hier hat seine Aufgaben erfüllt«, sagt Nik kühl. »Auch die, die wir nicht machen wollten.« Er zuckt mit den Schultern. »So sind nun mal die Regeln.«

»Fick dich.« Clemens sagt es nicht laut, aber trotzdem hat es jeder gehört.

»Ich weiß gar nicht, was ihr habt«, sagt Laura lallend. »Die blöde Flasche zeigt doch gar nicht auf Lukas.« Alle schauen zu Boden. Sie hat recht. Jetzt zeigt sie eindeutig auf mich.



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